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Die Reblaus: Apokalypse und Renaissance des Weinbaus

Die Reblaus (Daktulosphaira vitifoliae) – ein winziger Schädling mit kolossalen Auswirkungen. Im 19. Jahrhundert löste sie ein Desaster im europäischen Weinbau aus und bedrohte die Existenz ganzer Regionen. In diesem Fachartikel beleuchten wir die Biologie und Lebensweise dieses Schädlings, seine verheerenden Folgen für den Weinbau und die bahnbrechende Entwicklung der Rebenveredelung als Rettungsmaßnahme.

Brano
Time2Taste Gründer

Der unscheinbare Feind: Biologie und Lebenszyklus der Reblaus

Die Reblaus, ein millimeterkleines Insekt aus der Ordnung der Homopteren (Pflanzenläuse), stammt ursprünglich aus Nordamerika. Dort lebt sie in einem ausgewogenen Gleichgewicht mit den Reben, da diese im Laufe der Evolution Resistenz gegen den Schädling entwickelt haben. In Europa hingegen waren die Reben dieser Gefahr schutzlos ausgeliefert.

Die Reblaus befällt sowohl die Blätter als auch die Wurzeln der Reben. An den Blättern saugt sie den Saft aus und induziert die Bildung gallertartiger Wucherungen, sogenannte Gallen. An den Wurzeln verursacht sie noch gravierendere Schäden: Sie sticht die feinen Wurzelspitzen an und extrahiert den Saft. Dies führt zum Anschwellen, Verformen und Absterben der Wurzeln.

Wurzelreblaus:

Die Wurzellaus, auch Rebwurzellaus genannt, ist die agamste Form der Reblaus und für die primäre Schadensverursachung verantwortlich.
Sie befällt die Feinwurzeln der Rebe und saugt deren Pflanzensaft, wodurch die Nährstoff- und Wasserversorgung der Pflanze gestört wird.
Im Verlauf des Befalls bilden sich Wurzelgallen, die zum Absterben der Wurzeln führen können.

Blattreblaus:

Die Blattlaus, auch Rebblattlaus genannt, ist die geflügelte Form der Reblaus und spielt eine wichtige Rolle bei der Verbreitung des Schädlings.
Sie saugt an den Blättern der Rebe und induziert die Bildung von Gallen.
Im Spätsommer/Herbst produziert sie geflügelte Geschlechtstiere, die für die Fortpflanzung sorgen.

Die Invasion: Ausbreitung und verheerende Folgen

Ende des 19. Jahrhunderts gelangte die Reblaus mit importierten Rebstöcken nach Europa. Begünstigt durch günstige klimatische Bedingungen und mangelhafte Quarantänemaßnahmen breitete sie sich schnell auf dem Kontinent aus. Innerhalb weniger Jahrzehnte befiel sie Reben in Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich und anderen Ländern.

Die Folgen waren verheerend: Die Reben wurden geschwächt, starben ab und ganze Weinberge wurden vernichtet. Die wirtschaftlichen Schäden waren immens: Millionen von Hektar Rebfläche wurden zerstört und die Existenz ganzer Familien und Gemeinden stand auf dem Spiel.

Bekämpfung durch chemische Pflanzenschutzmittel:

In den Anfängen der Reblauskrise versuchte man, den Schädling mit chemischen Pflanzenschutzmitteln zu bekämpfen.
Diese Methode war jedoch wenig effektiv und zudem mit negativen Umweltauswirkungen verbunden.

Suche nach resistenten Reben:

Parallel dazu forschte man nach resistenten Rebsorten.
Jedoch erwiesen sich nur wenige amerikanische Rebsorten als resistent gegen die Reblaus, die jedoch qualitativ minderwertige Weine produzierten.

Die Rettung: Entwicklung und Etablierung der Rebenveredelung

Die Rettung des europäischen Weinbaus kam aus Amerika: Die Veredelung von europäischen Reben auf resistente amerikanische Unterlagsreben. Diese Methode, auch als Pfropfen bezeichnet, ermöglichte es, die Vorteile beider Rebsorten zu vereinen: Die Widerstandsfähigkeit der amerikanischen Unterlagsreben gegen die Reblaus und die Qualität der europäischen Edelreiser, die für die geschmacklichen Eigenschaften der Weine verantwortlich sind.

Die Idee der Rebenveredelung:

Die Idee der Rebenveredelung war nicht neu.
Bereits im 18. Jahrhundert wurden Obstbäume veredelt, um ihre Resistenz gegen Krankheiten zu verbessern.
Mitte des 19. Jahrhunderts erkannten Forscher, dass diese Methode auch zur Bekämpfung der Reblaus eingesetzt werden könnte.

Entwicklung geeigneter Unterlagsreben:

Die Entwicklung geeigneter Unterlagsreben war ein langer und mühsamer Prozess. Es dauerte Jahrzehnte, bis man Rebsorten fand, die sowohl resistent gegen die Reblaus als auch mit den unterschiedlichen Klima- und Bodenbedingungen in Europa kompatibel waren. Pioniere wie Gaston Bazille, Jules Émile Planchon und Gustave Foëx spielten dabei eine Schlüsselrolle.

Die Funktionsweise der Rebenveredelung:

Bei der Rebenveredelung wird der Edelreis, also der obere Teil einer europäischen Rebsorte, auf den Wurzelstock einer resistenten amerikanischen Unterlagsrebe gepfropft. An der Veredlungsstelle bilden sich neue Zellen, die eine Verbindung zwischen beiden Teilen der Rebe herstellen.

Die Unterlagsrebe übernimmt die Aufgabe der Wurzelbildung und schützt die Rebe vor der Reblaus. Der Edelreis hingegen ist für die oberirdischen Teile der Rebe verantwortlich, also für Triebe, Blätter und Früchte. Er trägt die genetischen Informationen der europäischen Rebsorte und bestimmt somit die Qualität der Trauben und des Weines.

Heutige Situation und Ausblick

Heute sind fast alle Reben in Europa veredelt. Die Reblaus ist zwar noch immer vorhanden, kann den Reben aber keinen nennenswerten Schaden mehr zufügen. Die Veredelung hat den Weinbau vor der Ausrottung bewahrt und ermöglicht es weiterhin, Weine höchster Qualität zu produzieren.

Die Reblauskrise hat den europäischen Weinbau nachhaltig verändert. Sie hat gezeigt, wie wichtig es ist, die Natur ernst zu nehmen und auf die Gefahren zu achten, die von Schädlingen und Krankheiten ausgehen. Die Entwicklung der Rebenveredelung war eine bahnbrechende Innovation, die den Weinbau vor dem Untergang rettete und gleichzeitig zu einer neuen Qualitätssteigerung führte.

Fazit

Die Reblaus hat den europäischen Weinbau im 19. Jahrhundert vor eine existenzielle Bedrohung gestellt. Dank der Entwicklung der Rebenveredelung konnte diese Krise jedoch gemeistert werden. Heute ist die Veredelung ein fester Bestandteil des Weinbaus und ermöglicht es, weiterhin Weine von höchster Qualität zu produzieren.

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